Interview mit Matthias Marquardt, Chief Operating Officer WMM AG

Matthias Marquradt ist Chief Operating Officer der WMM AG aus dem Allgäu. Der Konzern hat jüngst die Skilifte Jungholz gekauft. © privat

Ein Gespräch über den Kauf der Jungholzer Skilifte in Tirol und was das Unternehmen nun alles plant.

Die WMM AG hat jüngst die Skilifte Jungholz gekauft. Das Unternehmen war bislang aber nicht im Skiliftbetrieb engagiert. Was waren die ausschlaggebenden Gründe, jetzt in Jungholz einzusteigen?

Die Gründe waren die positiven Nebeneffekte für die Region, aber auch für uns. Es war eher ein Zufall, dass wir uns eingebracht haben. Wir haben mit unserer Bau-Division aktuell ein Projekt in Jungholz mit drei Ferien-Chalets. Zur Weihnachtszeit wollten wir uns über die Fortschritte informieren, gleichzeitig war die Familie mit Kindern dabei, mit denen wir etwas im Schnee unternehmen wollten. Da erst haben wir erfahren, dass der Skibetrieb eingestellt ist. So kam eins zum anderen. Wir begannen, uns vorzustellen, ob die Skilifte in unser Unternehmenskonstrukt passen würden und welche Maßnahmen wir als richtig und wichtig erachten, um das Ganze wieder ans Laufen zu bringen. Die Skilifte sind nicht nur für Jungholz wichtig, sondern für den ganzen Umkreis von sagen wir 100 Kilometern. Viele Kollegen von uns haben sogar gesagt, sie würden Jungholz häufiger besuchen.

Durch die Hotelgruppe sind Sie aber touristisch nicht ganz unerfahren …

Das stimmt, durch die Hotels sind wir erfahren, viele Kollegen sind auch in der Touristik groß geworden. In unseren Augen sind die Produkte selbst gar nicht das ausschlaggebende – ob man ein Hotelkonzept neu denkt, einen Skilift betreibt oder eine Schreinerei führt. Wichtig sind die gleichen Fragen: Was habe ich dort für einen Markt? Wie kann ich den operativ gestalten und die Kundenerlebnisse neu entwickeln? Wir haben uns nicht auf das Skifahren fokussiert, sondern darauf, was neben dem Skifahrerlebnis wichtig ist. Was benötigen Gäste, um auch aus dem regionalen Umfeld für Halbtagesbesuche zu kommen? Das nämlich ist unser Ziel!

Wie sieht ihr finanzieller Rahmen aus?

Zum Kaufpreis sagen wir nichts. Wir haben für das Investment grob 500.000 Euro bis 1,2 Millionen Euro veranschlagt. Entscheidend dabei ist, was bei den Revisionen herauskommt. Wir haben gerade einmal vor zwei Wochen die Kaufverträge unterschrieben. Bislang ging es um behördliche Schritte, Grundstücksfragen und so weiter. Die Kosten für die Wartung der Anlagen, die jetzt ein Jahr still gelegen haben, sind nicht abzusehen. Positiv ist, dass wir den Konzern mit erfolgreich wirtschaftenden Divisionen sowie viele fleißigen Händen im Hintergrund haben.

Es zeugt von Mut, nicht alles bis ins letzte Detail durchgeplant zu haben.

Seien wir ehrlich, wir sind schon ziemlich spät dran. Einen Skilift zu übernehmen, aufzurichten und in Betrieb zu nehmen, dafür würden andere länger als ein halbes Jahr benötigen. Wir können jetzt Vollgas geben, damit es hoffentlich bis zum Winter funktioniert. Oder wir machen einen Masterplan, rechnen alles durch, um dann womöglich von unseren Annahmen 10 bis 20 Prozent abweichend ins Ziel zu kommen. Es ist bei uns immer so: Wenn wir eine Idee haben, legen wir am liebsten sofort los und probieren und passen an im laufenden Prozess.

Ein häufiger Kritikpunkt an der deutschen Unternehmerkultur: sich vorab zu viel in Details zu verlieren.

Unternehmensführung ist unsere Kernkompetenz. 2016 hatten wir nur eine Schreinerei mit 60 Mitarbeitern. Jährlich ist durch diese besondere Mentalität, vorgelebt von unserem Vorstand, etwas neues entstanden oder hinzu gekommen. Heute sind wir 1200 Mitarbeiter, und aus einer Firma wurden18. Mit den richtigen Leuten ist das alles kein Problem. Wir haben ein junges Team, wir sind hoch motiviert. Die Mitarbeiter müssen nicht alles an Vorwissen mitbringen, aber sie müssen richtig Lust haben, sich einzubringen. Dann bekommt man alles ans Laufen, ob es eine Schreinerei ist, eine Schlosserei, ein Telekommunikationsdienstleister, ein Hotel oder eben ein Skilift.

Welche Maßnahmen wollen Sie zu Beginn umsetzen?

Das Wichtigste ist, dass wir dem Gast als Erstes etwas Neues bieten müssen. Damit die Gäste entscheiden, Jungholz eine weitere Chance zu geben. Dieses neue Thema ist der Zauberteppich. Das Kinderland ist etwa auf halber Höhe des Skigebietes ansässig, aber im Moment leider nur mit dem Sessellift erreichbar. Das wollen wir mit dem Zauberteppich ändern, einer Art Förderband. Er wird knapp hinter dem Parkplatz beginnen, so dass die Menschen zu Fuß, mit Ski oder später mit dem Mountainbike hinaufkommen. Der zweite wichtige Punkt ist, dass wir den Parkplatz kostenpflichtig machen wollen, ganzjährig und für jeden. Ein dritter Aspekt ist die Vereinfachung der Ticketkontrollen. Bislang musste der Gast mehrere Wege zwischen Parkplatz, Kassenhäuschen und Lift bewältigen. Das ändern wir: Der Kunde bucht zuhause sein Ticket, hat einen Single-Point-of-Entry und kann bleiben, wie lange er will, und kann nutzen, was er will. Wir brauchen dann weder ein Kassenhäuschen mit Mitarbeitern noch das Drehkreuz, dass eine ungünstige, zeitraubende Zugangssperre ist.

Wie wollen Sie den Zauberteppich nutzen?

Den Zauberteppich kann man nicht nur mit Skiern nutzen, sondern sozusagen auch zu Fuß. So haben Gäste auch im Sommer die Möglichkeit, zum Kinderland zu kommen. Das wird der Dreh- und Angelpunkt sein. Dort oben ist die Gastronomie, ein idealer Spot für Familien. Die Schrofen-Hütte hat bereits einen Spielplatz, aber wir denken für die Zukunft an etwas eigenes und etwas Größeres. Und wir wollen für die Kinder eine einfache Mountainbike-Strecke anlegen. Hintergedanke ist immer: Jungholz ist ein absolutes Familien-Ziel und die Gäste sollen ganzjährig kommen können. Wir werden versuchen, die Preise so zu gestalten, dass jemand aus dem Umkreis für zwei Stunden kommen kann und möchte. In unserer Traumvorstellung gibt es nur einen einzigen Preis, für Kinder und Erwachsene. Sie sollen nicht den Druck spüren: „Ich muss jetzt unbedingt meinen teuren Pass ausnutzen.“

Wie spiegeln sich diese Punkte in der Preisgestaltung?

Bisher war es so, dass die Ticketpreise die ganze Anlage finanziert haben. So ist es ja auch bei den meisten anderen Skigebieten. Da kommen für eine Familie schon mal 120 Euro für einen Skitag zusammen. Das wollen wir eben nicht. Wir wollen den Parkplatz ganzjährig kostenpflichtig machen und damit auch die Tickets günstiger halten. Ein Beispiel: Ein Schneeschuh-Wanderer konnte bisher den Parkplatz nutzen und wandern gehen, ohne zu zahlen. Wenn wir jetzt diese Mitnutzer einkalkulieren, ist es möglich, die Ticketpreise so zu senken, dass es für jeden jederzeit attraktiv ist. Die Frage, ob es sich finanziell mit Blick auf den Zeitaufwand lohnt, nach Jungholz zu fahren, darf nicht aufkommen. Wir wollen wieder viele Leute anlocken. Das ist für die Region und auch für uns wichtig. Mit vielen Besuchern ist es nicht notwendig, den Preis hoch anzusetzen.

Gibt es Überlegungen, weitere Skigebiete zu übernehmen?

Es geht uns nicht grundlegend um den Skibetrieb, sondern ganz klar um die Region! Es ist keineswegs die Intention, ein Skigebiet nach dem anderen zu kaufen. Wir sind in Oy-Mittelberg tätig, dass eine Viertelstunde von Jungholz entfernt liegt. Wir sind in Wertach tätig, das ebenfalls ganz in der Nähe liegt. Wenn Sie sich unsere Gruppe anschauen, sind wir inklusive Jungholz jetzt mit 9 Standorten in der Region vertreten. Wir kommen aus der Region, unser Vorstand lebt seit langen Jahren im Allgäu, unsere Mitarbeiter kommen aus dem Allgäu. Ich schließe aber nicht aus, ein weiteres Skigebiet zu übernehmen, wenn es wieder so gut und regional passt.

Sie haben mit einer Tochterfirma ein Hotel in Oy-Mittelberg. Sind Kombi-Angebote geplant?

Die Idee ist eher, bei einem gut laufenden Skibetrieb noch ein Hotel in Jungholz zu bauen. Wir haben aktuell 105 Hotels, die in Betrieb oder im Bau sind. Wir haben die Idee schon auf der Bürgerversammlung vorgestellt. Wichtig ist aber, das ganze Projekt schrittweise zu vollziehen. Wir haben Ideen, wie es perspektivisch aussehen kann, gehen aber langsam vor. Wir wollen weder uns noch andere überfordern. Der Bestand muss jetzt wieder fit gemacht werden, danach kann man über weitere Ideen nachdenken.

Zur Person: Matthias Marquardt hat selbst in Jungholz Skifahren gelernt. Er ist Chief Operating Officer der WMM AG aus dem deutschen Mindelheim, einem Konzern mit insgesamt 18 Sparten. Dazu gehört beispielsweise eine Schreinerei, ein Modul-Bauunternehmen, eine Hotelgesellschaft, ein Telekommunikationsdienstleister und jetzt neu die Skilifte.