
Ein Gespräch über Begeisterung in einem Strategieprozess, Qualitätstourismus in einer Kulturstadt und Vorbilder im Städtetourismus
Was war für Sie persönlich das Überraschendste in diesem Strategieprozess?
Beate Kassner, Geschäftsführerin Tourismus Salzburg GmbH: Mich hat am meisten begeistert und zugleich erfreut, wie stark die Lust und die Begeisterung der Akteure auf Mitgestaltung ist. Ob Hotellerie, Gastronomie, Gästeführer, Freizeit- oder Kulturanbieter oder auch die Stadtbevölkerung: Die Menschen wollten nicht nur mitreden, sie wollten Salzburgs Zukunft aktiv mitgestalten. Es ging im Dialog zudem nicht nur um Tourismus als Wirtschaftsfaktor, sondern ganz stark um die Wechselwirkungen zwischen Tourismus- und Stadtentwicklung, die Lebensqualität, Identität und Werte. Gerade in einer Stadt wie Salzburg, die so stark von Kultur und Geschichte geprägt ist, war das für mich eine eindrucksvolle Erfahrung.
Peter C. Kowalsky, Geschäftsführer Project M: Für mich war es das große Maß an Offenheit und kritischer Selbstreflexion. Salzburg ist als Marke weltbekannt, mit den Leitmarken Mozart, Festspiele, UNESCO Weltkulturerbe, Sound of Music und Advent & Stille Nacht touristisch sehr erfolgreich. Dennoch haben im Prozess viele Akteure ganz bewusst und transparent auch die Reibungspunkte und die Weiterentwicklungsbedarfe angesprochen: die Optimierung der Besucherlenkung, der Platzkonflikt im öffentlichen Raum, das Ringen um Authentizität oder auch die Verbindlichkeit in der gemeinsamen Umsetzung. Diese Offenheit war eine sehr gute Grundlage, um nicht nur „weiter so“ zu denken, sondern echte Weichenstellungen für 2040 vorzunehmen.
Welche drei Punkte sind langfristig die relevantesten? Welcher Punkt hat kurzfristig die größte Auswirkung?
Kowalsky: Langfristig sehe ich drei entscheidende Hebel: Erstens die konsequente Ausrichtung auf einen nachhaltigen Qualitätstourismus, nicht als Etikett, sondern als Steuerungsprinzip einer integrierten Stadt- und Tourismusentwicklung. Daraus ergeben sich Mehrwerte für den Wirtschaftsstandort, den Lebens- und Erlebnisraum für Gäste und die Bevölkerung sowie den Erhalt des Stadt-Öko-Raumes. Der zweite Hebel ist die zielgruppenspezifische Erlebnisraumgestaltung, basierend auf Haltung und Passung der Zielgruppen zur Marke Salzburg sowie die touristische Erschließung und attraktive Aufwertung neuer Quartiere in der Stadt, wie Lehen, Elisabethvorstadt, Nonntal oder Schallmoos. Und schließlich der dritte Hebel: das verbindliche Zusammenspiel von Stadt, Wirtschaft, Kultur und Tourismus als gemeinsames Narrativ – denn Salzburg ist eine echte Kulturstadt, nicht nur touristischer Sehnsuchtsort.
Kassner: Kurzfristig hat die Überarbeitung der Zielmärkte, die Definition von Leit-Zielgruppen und der Relaunch der Tourismusmarke inklusive des Relaunches des Corporate Designs für einen frischeren Auftritt eine große Hebelwirkung. Denn mit dem neuen Markenbild, der klaren Positionierung Salzburgs als einer der Top-Kulturstädte der Welt, der Integration der Werte „exzellent, sinnlich, bewusst, progressiv“ sowie smarter Lösungen wie die Digitalisierung der Salzburg Card schaffen wir für Gäste und Einheimische gleichermaßen ein modernes, klareres und wertebasiertes Erlebnis und Angebot entlang der gesamten Costumer Journey. Das ist sichtbarer Fortschritt.
Welche Konzepte anderer internationaler Touristikstädte haben Sie inspiriert – oder abgeschreckt?
Kowalsky: Es gibt keine 1 zu 1 Blaupause, weil Salzburg aufgrund der Stadttopographie, der Angebotsdichte und der DNA der Stadt einzigartig ist. Inspiriert haben uns aber einzelne Bausteine, zum Beispiel aus Städten wie Kopenhagen oder Wien, wo Tourismus konsequent als Teil der Stadtentwicklung gedacht wird – mit dem Ziel, das Leben der Einheimischen zu verbessern. Zudem hatten wird über den Prozess auch einen intensiven Austausch und Blick zum City DNA Netzwerk (City Destinations Alliance), worüber wir viele einzelne gute Best Practices aus anderen europäischen Städten haben einfließen lassen können. Abgeschreckt hat uns nicht wirklich etwas, aber es war uns relativ schnell klar, dass zum Beispiel reine Verbote oder Eintritte für eine Altstadt nicht zielführend für die Steuerung der Gästeströme beziehungsweise die Auslastungsverteilung wären.
Was muss zukünftig getan werden, damit die Partner und Stakeholder an der Vision festhalten und sie unterstützen?
Kassner: Die Vision ist unser gemeinsamer roter Faden mit klaren Zuständigkeiten und Schnittstellen, um Maßnahmen gemeinsam und zielgerichtet umzusetzen und eine Kooperationskultur zu fördern. Wichtig ist, ins Tun zu kommen. Daher haben wir gemeinsam mit allen Beteiligten im ersten Step 22 Schlüsselprojekte und Quick Wins festgelegt, um so kurzfristig auch Wirkungseffekte zu erzielen. Visionen leben aber nur dann, wenn sie in Strukturen und Prozesse übersetzt werden. Deshalb ist die geplante Fortführung der Lenkungsgruppe als Umsetzungsgremium so wichtig. Sie verankert die Strategie dauerhaft im Miteinander. Compliance bedeutet in dem Zusammenhang: Transparenz, Verlässlichkeit, Monitoring. Nur wenn wir regelmäßig zeigen, was wirkt und was nicht, entsteht Vertrauen. Deshalb legen wir großen Wert auf Kommunikation und auch zukünftig auf Beteiligung im Umsetzungsprozess wie jetzt erst kürzlich mit dem 1. Netzwerkimpuls als Auftakt in einen gemeinsamen Umsetzungsprozess.
Kowalsky: Ich würde sogar sagen: Es braucht eine neue Verbindlichkeit durch Sinn. Die Vision muss Teil der DNA der Akteure werden. Und das gelingt nur, wenn jede und jeder spürt: Ich bin Teil des Ganzen, als „Gestalter“ von Salzburg und der Vision Salzburg 2040 und deren Umsetzung.
Mit der Vision Salzburg 2040 hat die Stadt Salzburg unter der Federführung der Tourismus Salzburg GmbH gemeinsam mit der Beratungsagentur PROJECT M einen Strategieprozess abgeschlossen. Im Zentrum stand ein intensiver Dialog: Mit Bürgern und Bürgerinnen, Unternehmen, Kulturschaffenden, Verwaltung und Politik wurde in über 20 Beteiligungsformaten diskutiert, gestritten und gestaltet. TN-Austria hat mit Beate Kassner, Geschäftsführerin der TSG, und Peter C. Kowalsky, Geschäftsführer PROJECT M, gesprochen.