Mathias Schattleitner, Präsident des dna -Destinations-Netzwerk Austria

Ein Gespräch über die Neupositionierung der Organisation, das Lebensraum-Konzept und den Sinn von Tourismus-Clustern.

TN-Austria: Herr Schattleitner, im vergangenen Herbst hat sich der Bundesverband Österreichischer Tourismusmanager einen neuen Namen gegeben und seinen Außenauftritt komplett überarbeitet. Welchen Grund hat die Neupositionierung?

Mathias Schattleitner: Wir waren über viele Jahrzehnte der Bund Österreichischer Tourismusmanager und dadurch waren wir auch ein Verband der Regionen. Das haben wir vor allem in der Corona-Zeit gemerkt, in der wir uns stark vernetzt haben, ein Sprachrohr für die Regionen waren und viel bewegen konnten. Wir wollen uns aus dieser Erfahrung heraus mehr einbringen, sozusagen Bottom-up, in Gesprächen mit nationalen Organisationen wie der Österreich Werbung oder bei den Landestourismusorganisationen. Und wenn wir schon unsere Tätigkeiten ändern, dann müssen wir auch unseren Namen ändern, denn der Name BÖTM hätte nicht deutlich gemacht, was wir wollen. Das Destinations-Netzwerk Austria dagegen zeigt: Wir sind Destinationen; die sich vernetzen; in Österreich.

Höre ich daraus, dass Sie sich als Regionen auch mit einem etwas breiteren Kreuz aufstellen wollen?

Nein, so hart würde ich das nicht formulieren. Bei der Vielzahl an touristischen Playern auf der österreichischen Tourismuslandkarte ist eine Ausgewogenheit immer wichtig. Jeder soll seine Stärken einbringen. Von den rund 120 touristischen Regionen in Österreich sind 97 Prozent Mitglied beim Destinations-Netzwerk Austria. Das Lobbying, das Sie ansprechen, können wir also sehr gut vertreten. Unsere Stärke liegt darin, dass wir als Destinationen vor Ort am Gast sind und bei den Betrieben aktiv sind. Wir wollen damit Chancen und Ideen auf höheren Ebenen einbringen, um das Tourismussystem in Österreich ganzheitlich zu denken.

Was haben Sie sich als Verband für 2025 vorgenommen?

Das große Thema aktuell ist Lebensraum-Management. Im vergangenen Jahr haben wir dazu ein Lab organisiert, diese Arbeit muss weitergeführt werden. Wir haben damals zunächst definiert: Was ist Lebensraum-Management und was ist es nicht? Natürlich sind wir nicht für den sozialen Wohnungsbau zuständig, aber für Besucherstromlenkung sehr wohl. Oder für Events, an denen Einheimische auch Freude finden. Dazu zähle ich aber auch die Tourismusgesinnung – also wie der Tourismus vor Ort wahrgenommen wird – positiver zu gestalten. Im Lebensraum-Management geht es um die Verantwortung, die Produktentwicklung vor Ort ganzheitlich zu denken, mit Blick auf alle Beteiligten, alle Stakeholder. Der Tourismus hat keinen Selbstzweck, sondern soll Wohlstand und Wertschöpfung in die Region bringen.

Sie sprachen von der Tourismusgesinnung – hat der Tourismus vor Ort ein Imageproblem?

In gewissem Maße schon. Die negativen Effekte kommen in Österreich sehr schnell und umfassend zur Sprache, aber die positiven Effekte werden verschwiegen. In Saalbach zum Beispiel, wo jetzt die Ski-WM war, lebt alles vom Tourismus. Natürlich muss man dann schon mal an der Supermarkt-Kasse länger warten, weil die Touristen nicht Deutsch sprechen und länger benötigen. Aber diese Menschen bringen das Geld in die Region und machen diese damit lebenswert!

Wird das Lebensraum-Konzept Österreich-weit akzeptiert, ist es etwa vom Ministerium festgelegt, oder kommt es von Ihnen, also aus den Regionen?

Beides. Es ist im Plan T, dem Tourismusplan des Ministeriums, fest verankert. Aber auch wir als Destinations-Netzwerk Austria widmen uns dem Thema stark, weil wir in den Destinationen sehen, wie wichtig das Lebensraum-Management ist. Viele Akteure auch auf Land- und Bundesebene sind froh, wenn wir uns damit befassen. Es gibt aktuell in Österreich eine große Bandbreite an Erfahrungen zum Thema: Die eine Region hat sich vielleicht noch gar nicht damit beschäftigt, die andere überholt sich fast schon selbst. Wir als dna bündeln Expertenwissen, veredeln es und bieten es den Partnern an.

Wie wollen Sie das Thema heuer für die Mitglieder voranbringen?

Es ist unbestreitbar, dass das Lebensraum-Konzept vor allem für Destinationen gedacht ist, weil Tourismus im Lebensraum stattfindet. Deswegen passiert in vielen Regionen schon ein Wandel von der Destinationsmarketingorganisation hin zur Destinations-Marketing- und Management-Organisation. Dem Lebensraum muss dieselbe Bedeutung wie beispielsweise den Themen Digitalisierung, Marketing oder Employer Branding zukommen, da der Lebensraum die Basis für den Tourismus ist.

Es ist kein Wettbewerbsthema, sondern man kann von den Best-Practice-Beispielen ohne Konkurrenzsituation lernen und dies auf die individuelle Situation in der eigenen Region anpassen. Das dna hat es sich zur Aufgabe gemacht, mehr Awareness für dieses Thema zu schaffen und den Austausch zu fokussieren. In unserem dna Lab Lebensraum tauschen sich die Vorreiter in dem Thema aus und gestalten einen Leitfaden, den wir allen Regionen zur Verfügung stellen.

Sollten sich kleine Destinationen zusammentun, um gemeinsam eine größere Außenwirkung zu erreichen? Oft dringt man als Region bei der Vielzahl an Werbe- und Medienkanälen gar nicht mehr bis zum potenziellen Urlauber durch.

Das ist schwierig zu sagen. Regionen, die eine eigene Marke sind, wie etwa Schladming oder Saalbach, müssen auf 15 Märkten präsent sein, weil wir Gäste aus 15 Märkten haben. Kleinere Regionen profitieren davon nicht, denn deren Gäste kommen vielleicht nur aus den Nachbarländern. Was aber meiner Ansicht nach Sinn machen würde, aber in Österreich schwierig zu implementieren ist, wäre eine Bundesland-übergreifende Arbeit in Clustern. Viele Maßnahmen werden gut und richtig aus Wien heraus vorgegeben. Aber in Themen zu agieren, beispielsweise Vermarktung für Destinationen an Seen, oder Ski Alpin, wäre eine sehr gute Ergänzung. Viele ausländische Gäste kennen die Bundeslandgrenzen gar nicht und interessieren sich nicht dafür. Zum Beispiel machen wir von Schladming aus auf dem amerikanischen Markt Werbung für Ski Alpin, aber gemeinsam mit Ischgl, Ötztal, Kitzbühel und Zell am See. Es wäre nicht zielführend, wenn das jede Region für sich allein macht. So können wir Mittel und Ressourcen bündeln.

Welche Herausforderungen für die Regionen sehen Sie kurz- und mittelfristig?

Es ist die Inhomogenität des Tourismuslandes Österreich. Beispielsweise gibt es im Burgenland andere Bedingungen als in Tirol, es gibt andere Tourismusgesetze, andere Finanzierungsquellen. Die einen verwalten alles selbst, bei anderen bestimmt das Land. Wenn die Budgets enger werden, wird es Diskussionen darüber geben, woher die finanziellen Mitteln für den Tourismus kommen sollen. In Regionen, in denen Tourismusverbände über Ortstaxen und Tourismusabgaben ihr Budget erwirtschaften, ist es etwas leichter.

Die wirtschaftliche Lage in den Märkten, nehmen wir zum Beispiel Deutschland, ist natürlich auch kein Selbstläufer. Und noch einmal die Tourismusgesinnung: Wir haben in Österreich keinen Overtourism! Natürlich gibt es Tage und Orte, an denen manchmal eine Spitze erreicht wird. Aber dies ist kein Dauerzustand. Die Bilder nach Corona – als ein Nachholbedarf gegeben und mit einem Schlag alles voll war – haben sich eingeprägt und tragen jetzt zu einer negativen Stimmungslage bei. Da müssen wir gemeinsam, vereint, zu einem besseren Bild des Tourismus beitragen.

Zur Person: Mathias Schattleitner ist Präsident des dna-Destinations-Netzwerk Austria. Die Organisation, früher Bund Österreichischer Tourismusmanager, stärkt das Netzwerk und den Wissenstransfer der österreichischen Tourismusregionen. Ihr gehören gut 97 Prozent der Regionen an. Zudem ist Schattleitner Geschäftsführer des Tourismusverband Schladming-Dachstein.